Gerade „fliegt mir mal wieder der Draht aus der Mütze“ – Herr Söder, seines Zeichens bayerischer Ministerpräsident, wurde gerade in den Radionachrichten zitiert mit verschiedenen Forderungen: „man müsste jetzt …“, „es sollte nun …“, „nötig ist nun …“.
Ja, um alles in der Welt, warum MACHT der Mann dann nicht das in seinem Bundesland, was er hier einfordert? Er hat doch nach dem Infektionsschutzgesetz alle Möglichkeiten in der Hand, bezogen auf Bayern alles das umzusetzen, was er für richtig ansieht! Aber der Herr Ministerpräsident redet anscheinend lieber im Konjunktiv, anstatt im Indikativ das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und zu MACHEN anstatt zu REDEN.
Ähnliche Töne sind aus den anderen „Corona-Hotspot-Ländern“ Sachsen und Thüringen ebenfalls zu hören. Die „Konjunktivministerpräsidenten“ ergehen sich in blumigen Gedanken, was der Bund oder auch die anderen Länder nun tun müssten. Dazu gehören dann Ideen wie ein „bundesweiter Lockdown für Ungeimpfte“ oder „bundesweite 2Gplus-Maßnahmen“, also eine Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene.
ABER: ich behaupte mal, keine Infektion im Erzgebirgskreis (dem Landkreis, der heute, 29.11.2021, mit einer Inzidenz von 2073 die traurige Tabelle der Inzidenzen im Dashboard des RKI anführt) wird dadurch verhindert, dass auf Hallig Hooge für die Adventsfeier in der Halligkirche auch die Geimpften sich zusätzlich noch testen lassen müssen. Die Hochinzidenz, die vermutlich durch einen hohen Anteil von Schwurblern und Impfverweigerern im sächsischen Bergland getrieben wird, muss auch dort bekämpft und verhindert werden. Dafür braucht es keine einheitlichen Regelungen durch den Bund und im gesamten Bundesgebiet, sondern ein beherztes Nutzen der ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente durch die Länder.
Warum setzt Bayern (immerhin das Land, das inzwischen wieder den Katastrophenfall festgestellt und Covid-19-Patienten mit Hilfe der Bundeswehr auch zu uns ins Münsterland ausgeflogen hat) nicht in konzentrierter Aktion die Hilfsorganisationen des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes für eine oder zwei Wochen massiert ein und lässt in jedes Dorf eine mobile Impfstelle ausrücken, die sich dort auf dem Marktplatz, vor dem Rathaus oder vor der Kirche aufbaut und damit allen Menschen, die noch nicht geimpft sind, durch ihre schiere Präsenz nachdrücklich die Notwendigkeit des Impfens verdeutlicht? Das, verbunden mit einem „Lockdown für Ungeimpfte“ in dem jeweiligen Landkreis, wäre zumindest ein Versuch, der Welle die Spitze und vor allem den Leuten die dumme Ausrede zu nehmen, man habe ja noch immer keine Impfgelegenheit gehabt und es wäre ja alles so schwierig und deswegen wäre es ja sooo ungerecht, wenn man nun irgendetwas nicht dürfe und und und …
Und wenn der Landkreis oder Bezirk mit der höchsten Inzidenz durch ist, dann wird der nächste ins Visier genommen und so weiter. Niemand würde die Herren Söder, Kretschmer oder Ramelow daran hindern, genau dies schon jetzt zu tun – die Instrumente sind vorhanden, sie müssen nur genutzt werden. Aber es ist ja so schön einfach, sich selbst eine weiße Weste zu waschen, wenn man sagen kann: „der Bund müsste …“, denn dann kann man sich vor seinen potentiellen Wählerinnen und Wählern weiterhin als derjenige darstellen, der ja eigentlich will, aber die bösen Umstände … Nein, es sind nicht die bösen Umstände, sondern der fehlende Mut, das zu tun, für das man eigentlich gewählt worden ist, nämlich Schaden von den Menschen im jeweiligen Land abzuwenden.
Und ein letztes: der Kreis Steinfurt, in dem ich wohne, gehört zu den Kreisen mit sehr hoher Impfquote – nimmt man die WHO-„Schallgrenze“ von 85% als Maßstab, sind die meisten Altersgruppen bereits deutlich höher durchgeimpft, wie das Impfdashboard des Kreises für den gestrigen Tag ausweist (die geringere Impfquote bei den Jugendlichen mag daher rühren, dass bei dieser Gruppe ja auch erst später mit den Impfungen begonnen werden konnte).
Ich wehre mich dagegen, in unserem Bereich mit Lockdowns rechnen zu müssen, weil Schwurbler, Esoteriker, Impfgegner und Konsumenten von „Russia Today“ in anderen Bundesländern die Impfung verweigern und ihre Ministerpräsidenten aus Untätigkeit und Feigheit vor der eigenen Bevölkerung uns alle in Mithaftung für ausbleibende regionale und lokale Maßnahmen nehmen wollen. Immerhin nehmen wir in NRW, in Hamburg, in Schleswig-Holstein und in anderen Regionen mit niedriger Inzidenz inzwischen eure Patienten auf, weil euer Gesundheitssystem auf dem letzten Loch pfeift. Ich finde: das ist schon ein hohes Maß an Solidarität (die wir übrigens gerne geben) und wir sollten nicht noch für unsere Solidarität dadurch „bestraft“ werden, dass wir eure Untätigkeit durch den von euch geforderten bundesweiten Lockdown ausbaden müssen.
Also, Herren Söder, Kretschmer, Ramelow: machen, nicht reden! Seid keine „Konjunktivministerpräsidenten“, sondern setzt die euch durch das Infektionsschutzgesetz zur Verfügung stehenden Instrumente ein, ohne auf den Bund und die anderen Länder zu schielen!