Der historische Fehler der Union

Nach dem Ergebnis der Bundestagswahl drängt es mich, im Rückblick einmal für mich (siehe Titel meines Blogs „Meine Weltsicht …“, und zwar meine ganz persönlich-subjektive) zusammenzutragen, wo ich die Quelle für die aktuelle Situation sehe. Dieser Text soll auch dazu dienen, meine eigenen Erinnerungen aufzuschreiben, denn wer weiß, ob ich dazu später noch einmal Lust, Zeit und Gelegenheit haben werde.

Interessanterweise stelle ich dabei fest, dass die Union anscheinend bereits vor fast 50 Jahren die fatale Fehlsteuerung unternommen hat, die sich heute manifestiert.

Man erinnere sich:
Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte der „Club of Rome“ seine Untersuchung „Die Grenzen des Wachstums“ herausgegeben. Wenn in der Rückschau viele der dort getroffenen Annahmen (glücklicherweise) nicht eingetroffen sind, ist jedoch auch heute erkennbar, dass die Tendenz richtig war. Die damaligen Überlegungen sind an vielen Stellen aufgenommen worden (z.B. unter dem Stichwort „Bewahrung der Schöpfung“ in der katholischen Kirche), unter anderem aber auch in der damaligen CDU. Protagonist hierfür war Herbert Gruhl, der 1975 als CDU-Bundestagsabgeordneter, Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion in Umweltfragen und Bundesvorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) ein Buch mit dem Titel “Ein Planet wird geplündert – die Schreckensbilanz unserer Politik“ veröffentlichte. Wie man Gruhls Lebenslauf auf Wikipedia entnehmen kann, war er auch Vorsitzender der CDU-Arbeitsgruppe für Umweltvorsorge, die ein „Konzept der CDU für Umweltvorsorge“ entwarf; an diesem Papier hat auch der spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der bereits 1972 als „Schatten-Umweltminister“ eines möglichen Kabinetts Rainer Barzel galt, mitgewirkt. Fragen der Umweltpolitik waren also, wie man sieht, in der CDU damals durchaus prominent vertreten, und ich sage: für eine auf dem christlichen Menschenbild basierende Partei war das auch absolut gut und richtig!
Das war damals die Zeit, in der ich mein Studium begann und gleichzeitig aktiv politisch in der Jungen Union und der CDU tätig war. Gruhl war damals für etliche Leute durchaus ein Hoffnungsträger und Auslöser für manche Aktivitäten, die man heute als „eher naiv“ ansehen könnte – wir haben zum Beispiel schon damals Mitte der 70er im Lehramtsstudium mit Solartechniken experimentiert und für den Technikunterricht Modelle von verschiedenen Sonnenkollektoren gebaut.

Leider war damals die politische „Großwetterlage“ eine andere: der damalige Bundesvorsitzende der CDU Rainer Barzel hatte das konstruktive Misstrauensvotum gegen die Regierung Brandt verloren (wie man heute weiß, unter tätiger Mithilfe durch die Stasi, die mit Bestechungen agierte, um die rechnerische Mehrheit Barzels zu torpedieren und damit ein Weiterbestehen der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP in Form der Regierung Brandt – Scheel im Bund zu ermöglichen). Mit dem misslungenen Misstrauensvotum galt auch Barzel als „verbrannt“ und wurde 1973 durch Helmut Kohl als Vorsitzender der CDU und durch Karl Carstens als Fraktionsvorsitzender abgelöst.
Wiederum durch Stasi-Machenschaften (Guilleaume!) verlor Willy Brandt später seine Kanzlerschaft und wurde durch Helmut Schmidt (in meinen Augen auch heute immer noch einer der meistüberschätzten Bundeskanzler) ersetzt. Die SPD hatte damit zu tun, sich als traditionelle Arbeiterpartei zu profilieren, was die CDU – nun unter Helmut Kohl – dazu zwang, ebenfalls die Industriearbeiterschaft noch stärker in den Blick des politischen Handelns zu nehmen. Fragen des Natur- und Umweltschutzes fielen damit „hinten runter“ – Wahlen wurden damals eben am Hochofen gewonnen.
Später kam der sich wieder verschärfende Ost-West-Konflikt hinzu – die Sowjetunion begann mit der Stationierung von SS-20-Mittelstreckenraketen, die erstmals eine atomare Bedrohung des europäischen NATO-Raums darstellten, ohne dass die USA betroffen gewesen wären. Das Ziel der Sowjets war deutlich: es ging darum, einen Keil zwischen die europäischen und nordamerikanischen Partner des NATO-Bündnisses zu treiben. Die NATO reagierte mit dem „Doppelbeschluss“, über den Helmut Schmidt dann letztendlich stolperte, weil ihn seine eigene Partei in dieser Frage im Stich ließ. Der Rest ist Geschichte …

Ich kann durchaus nachvollziehen, dass vielen Menschen das „grüne Gedankengut“ Gruhls in der CDU in der damaligen politischen Großwetterlage als unwesentlich erschien; es gab halt augenscheinlich aus kurzfristiger Sicht heraus Wichtigeres zu entscheiden. Gruhl trat 1978 aus der CDU aus, gründete die „Grüne Aktion Zukunft“ (GAZ), die sich wiederum Anfang der 80er an der Gründung der GRÜNEN beteiligte. Aus der GAZ ging dann später die ÖDP hervor. Das weitere Schicksal Gruhls soll hier nicht weiter referiert werden; es ist an anderer Stelle nachlesbar. Für mich ist aber entscheidend: die CDU war Mitte der 70er Jahre einmal auf gutem und durch „Parteiprominenz“ unterstütztem Weg, Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden. Mich hat diese Entwicklung durchaus geprägt, auch in meinen persönlichen Entscheidungen. Nur ein Beispiel: unser in der ersten Hälfte der 80er Jahre gebautes Haus hat von Anfang an eine Wärmepumpenanlage für Heizung und Warmwassergewinnung. Ich selbst bin aber weiterhin noch lange Jahre CDU-Mitglied geblieben, nicht zuletzt auch deshalb, weil für mich die GRÜNEN ihre Umweltorientierung immer wieder mit linkem (Jutta Ditfurth) und rechtem (der unsägliche Baldur Springmann) Gedankengut vermischten. Beide Richtungen lehne ich noch heute ab!

Die CDU hat aber jedenfalls ihre Chance, die sich ihr aus den eigenen Reihen heraus bot, nicht ergriffen. Sie hat den Gedanken der „Bewahrung der Schöpfung“ nicht, wie es ihr als Partei aus christlichem Grundverständnis heraus gut angestanden hätte, so intensiv aufgegriffen wie es nötig gewesen wäre. Ich bin ziemlich überzeugt, dass eine ausgeprägt ökologisch ausgerichtete Union uns heute mehr als denn je fehlt! Hätte die Union die Überlegungen Gruhls und anderer aus den 70ern aufgegriffen und weiterentwickelt, stünde unser Land heute anders – und vermutlich besser – da!

Ich habe übrigens wegen eines überbordenden Wirtschaftsliberalismus in der Partei die CDU bereits vor mehr als zehn Jahren verlassen, aber nicht die Union! Ich bin weiterhin Mitglied der Christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (der häufig so genannten „Sozialausschüsse“ der Union) und seit einigen Monaten auch der KlimaUnion, von der ich hoffe, dass sie zu einer auf Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung neu ausgerichteten Union beitragen kann.

Hoffentlich gelingt es, die kommenden Monate und Jahre dazu zu nutzen, diese Modernisierung der Union voranzutreiben und vor allem nicht die Fehler von vor 50 Jahren zu wiederholen!

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