Die aktuelle Diskussion „auf den letzten Drücker“ um die Abschaltung der verbliebenen drei Kernkraftwerke hinterlässt bei mir den Eindruck eines „letzten Gefechts“ einer Industriegruppierung, die plötzlich verinnerlicht, dass die Zentralisierung und Monopolisierung der Energieversorgung unweigerlich dem Ende zugeht — vergleichbares findet sich inzwischen ja auch bei den Gasnetzbetreibern.
Man erinnere sich: die öffentliche Elektrizitätsversorgung ist ursprünglich mal ganz dezentral entstanden, aus Mühlenwerken (Wasserkraft) und kommunalen „Zentralen“, die tlws. daraus erwachsen sind, auch elektrische Straßenbahnen zu betreiben. Deren lokale Versorgungsgebiete wurden später in (kommunale) Verbünde oder Zweckbetriebe zusammengefasst (Beispiel: „Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen“ VEW als Zusammenschluss vieler kommunaler E-Werke in Westfalen), um in größeren, kommunal eigenständig nicht mehr finanzierbaren Großkraftwerken (nicht zuletzt den teuren Kernkraftwerken) Strom zu erzeugen und über die Verbundleitungen größere Ausfallsicherheit herzustellen. Das war damals durchaus folgerichtig und sinnvoll. Anteilseigner/Gesellschafter waren schwerpunktmäßig die Gemeinden und kommunalen Spitzenverbände; das System blieb also in öffentlicher und damit mittelbar in der Hand der Bürgerschaft. Wie das aber so ist: mit zunehmender Distanz und Größe verlor sich das kommunale Interesse; die Kommunen sahen in den Werken entweder eine „Melkkuh“ oder auch eine administrative Last. Die Folge waren weitere Großzusammenschlüsse (im Beispiel: VEW + RWE + PESAG + EMR + X + Y —> heute ist das der E.ON-Konzern, dem man seine Herkunft aus der kommunalen Familie nicht mehr ansieht).
Nun ist aber seit etwa 10 Jahren ein entscheidender Paradigmenwechsel eingetreten: Stromversorgung ist durch Photovoltaik und Windkraft wieder sinnvoll dezentral möglich – bei Windkraft durch lokale kommunale oder genossenschaftliche Windparks, bei Photovoltaik und Speichertechnik sogar noch kleinteiliger in Bürgerhand! Was ist die Folge? Die heutigen Großversorger merken, dass sie für die Stromversorgung der Menschen längst nicht mehr so wichtig sind und ihr Geschäftsmodell der Großkraftwerke zu wanken beginnt. Wichtiger sind inzwischen nicht mehr unbedingt die Erzeuger, sondern die Übertragungsnetzbetreiber, die dafür sorgen, dass der dezentral und kleinteilig überall in der Fläche erzeugte Strom dahin kommt, wo er im Augenblick benötigt und die durch unterschiedliche Sonneneinstrahlung und Windkapazität unterschiedliche Produktionsmenge ausgeglichen wird.
Und hier sind wir bei der aktuellen Situation angekommen: jetzt, „kurz vor knapp“, wird plötzlich deutlich, dass die Großversorger sich ja eigentlich nur noch durch den Betrieb von Kernkraftwerken definieren (und legitimieren) können – auch die Kohleverstromung in großem Maßstab ist kurz vor dem Ende. Damit endet aber auch die bisherige quasi „Genehmigung zum Gelddrucken“ dieser Konzerne und der warme Regen für die Aktionäre (die ja, wie beschrieben, heute nur noch zu einem geringen Teil die Kommunen und damit Bürgerinnen und Bürger sind).
Ich sehe die nicht zuletzt von der FDP angeheizte Diskussion als Torschlusspanik, ein überholtes zentralistisches Stromproduktionssystem zu retten und die kommende moderne dezentrale Versorgungswirtschaft in Bürgerhand in letzter Minute zurückzudrängen. Die Parallelen zur Mobilitätsdiskussion und auch zur Diskussion um die Wohnungsbeheizung liegen auf der Hand: auch Batterieelektrik ist dezentral angelegt, Ladepunkte brauchen keine Großinfrastruktur mit Raffinerien und einem Heer von Tanklastzügen mehr, und Wärmepumpen können ebenfalls weitgehend autark betrieben werden, wenn der erforderliche Strom wohnungsnah vom Dach oder aus dem lokalen Windpark kommt. Kurz und gut: die zentralistische großindustrielle Energieversorgung geht damit als Geschäftsmodell dem Ende entgegen!
Wie jeder aus Torschlusspanik resultierende Abwehrkampf dürfte auch der momentan laufende Aktivismus der Kernkraftbefürworter (bei dem es in Wirklichkeit weniger um Kernkraft als Technologie, sondern um zentralistische vs. dezentrale Energieversorgung geht) im Endeffekt zum Scheitern verurteilt sein. Es kommt nun darauf an, diese Kampagne auszuhalten und den als richtig erkannten Weg der Dezentralisierung mit Ruhe und Gelassenheit weiter zu beschreiten!