Föderalismus und Bundesauftragsverwaltung

Ist es nicht ein Jammer? Kaum hat das Bundesinnenministerium seine Überlegungen zur Verstärkung des Bevölkerungsschutzes vorgelegt, da meldet sich bereits Thüringen (Thüringen!) zu Wort und erklärt, dass dies aber keineswegs zu Lasten von Länderkompetenzen gehen dürfe. Hoch lebe der Föderalismus!
Dabei ist davon auszugehen, dass die Zuständigen in Erfurt wahrscheinlich noch nicht einmal Zeit und Gelegenheit hatten, das Papier des Bundes überhaupt richtig von Anfang bis Ende durchzulesen. Es scheint inzwischen ein Reflex zu sein: die Verinnerlichung der Formulierung „ich gebe aber zu bedenken …“ gehört vermutlich zu den unabdingbaren Einstellungsvoraussetzungen jedes neuen Ministeriumsmitarbeiters in den Landesregierungen.
Dabei stellt in meinen Augen nicht der Föderalismus als solcher, sondern seine Ausprägung in der „Bundesauftragsverwaltung“ inzwischen den entscheidenden Webfehler in unserem Grundgesetz dar. Man kann es bei Infektionsschutz, bei innerer Sicherheit, bei der Sozialgesetzgebung und an vielen anderen Stellen verfolgen: überall dort, wo der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat, aber die Gesetze auf Kosten des Bundes durch die Länder ausgeführt werden sollen, knirscht es, weil natürlich jedes Land (insbesondere aber die Mini-Ländchen, die aus feudalen Duodezfürstentümern entstanden sind) gerne das Geld des Bundes annimmt, aber seine Existenzberechtigung durch Bedenkenträgerei und „Eigenständigkeit um jeden Preis“ bei der Umsetzung beweisen will. Dass der Bund in wenigen Fällen bundeseigene Verwaltung für seine Aufgaben einsetzt, ist leider die Ausnahme (militärische Verteidigung, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, um diejenigen zu nennen, die mir spontan einfallen – gibt es eigentlich noch mehr? Ok: THW gehört auch dazu).
Was wäre also zu tun? Aus meiner Sicht wäre eine strikte Trennung der bisherigen gemeinsamen Aufgaben vonnöten – wer die Musik bezahlt, bestellt auch, was und vor allem wie sie gespielt wird! Die Länder regeln und finanzieren ihre Länderaufgaben, der Bund regelt und finanziert die Bundesaufgaben – und vor allem: jeder führt seine Aufgaben eigenständig verwaltungsmäßig von oben bis unten aus. „AKV“, Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung in einer Hand, ist ein bekanntes und erprobtes Managementkonzept, das Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten unmittelbar sichtbar macht und umsetzt – und das fehlt uns bei der öffentlichen Hand derzeit schmerzhaft!
Allen denjenigen, die nun im Sinne des obengenannten „ich gebe aber zu bedenken …“ den grundgesetzlichen Auftrag zur Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse reklamieren, der durch ein solchen Verfahren gestört werden könnte, sei gesagt: durch eure Wahlentscheidung habt ihr es ja in der Hand, Einheitlichkeit herzustellen, indem ihr die Politik wählt, die euren Zielen am meisten entspricht. Politiker*innen aber, die Unfähigkeit und „ideologisiertes Nichtstun“ in ihren ureigenen Aufgaben heute immer sehr blauäugig mit dem Fingerzeig auf die andere Ebene kaschieren, wäre damit dieses Argument aus der Hand genommen. Das diente auch der so vielbeschworenen Transparenz!

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